Kämpfe in Dungeon World – Probleme und Problembehebung

Kämpfe sind ein essentieller Teil des Rollenspiels. Sei es das Schwertgeklirr im Fantasy-Genre oder das Lasergefecht im Science Fiction-Setting, Kämpfe bringen Action und Dramatik ins Spiel, erzeugen Gefahr und Spannung und stellen die ultimative Konfliktlösungsvariante dar. Kein echter Fantasy-Held, der nicht von seinen Siegen über Orks oder Drachen erzählen kann, kaum moderne oder postmoderne Helden, die ihre Abenteuer nicht mit einer Waffe an ihrer Seite bestehen. Diese Bedeutung von Kämpfen hat dafür gesorgt, dass die allermeisten Rollenspiele einen starken Fokus auf Kampfregeln legen, die das Kampfgeschehen am Spieltisch erlebbar machen sollen. Doch leider stellen diese Kampfregeln meist ein integrales Problem für das Rollenspiel dar: Üblicherweise bedeuten Kampfregeln nämlich einen Bruch mit der sonstigen Spielpraxis und eine Belastung der Regelmechanik mit ausufernden Mikroregelungen. Es wird nicht mehr frei und kreativ agiert, sondern nur noch in einem starren Korsett aus Initiativreihenfolgen und Aktionspunkten, jedes Handeln ist plötzlich in hohem Maße verregelt. Im Kampf verliert das Rollenspiel zumeist seine narrative Seele und wird zu einem komplexen Brettspiel.

Dungeon World geht hier einen anderen Weg: Das System verzichtet weitgehend (nicht vollständig!) auf ein eigenes Subsystem für Kämpfe und baut die Kampfregeln in die grundlegende Spielzug-Mechanik ein. Hauen & Stechen ist grundsätzlich erst einmal genau so ein Spielzug wie Gefahr trotzen, Gewissheit erlangen oder viele andere. Der Spielzug hat einen Auslöser in der Erzählung und generiert mit einem Wurf von 2W6 einen Erfolg, einen Teilerfolg oder einen Misserfolg. Allein die Umsetzung dieses Ergebnisses mithilfe von Schadenswürfeln und Trefferpunkten bricht mit dem Grundsystem und bedient sich archetypischer Regelmechaniken klassischer Systeme. (Andere pbtA-Systeme sind hier konsequenter und nutzen elegantere Lösungen.) Nichtsdestotrotz können Kämpfe regelmechanisch also grundsätzlich genauso mit einem Wurf abgehandelt werden wie der Einsatz von Fertigkeiten, das Sprechen von Zaubern o.ä. Im Mittelpunkt steht die Erzählung der Handlung, die durch den Wurf in eine Richtung gelenkt wird.

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Ironsworn und Dungeon World: zweimal Fantasy mit der pbtA-Engine

Ironsworn, das ist der Titel eines frühmittelalterlich-rauen Fantasy-Rollenspiels auf Basis der pbtA-Engine. Erschienen ist es bereits im Jahr 2018, im Mai 2021 hat System Matters dann die deutsche Übersetzung veröffentlicht. Damit ist neben Dungeon World ein zweites pbtA-System mit bekannten Fantasy-Motiven und -Tropen auf Deutsch erhältlich. pbtA plus war bei der Veröffentlichung zu lesen, ich meine auch pbtA deluxe oder pbtA 2.0 gehört zu haben. Grund genug also, beide Systeme einmal nebeneinander zu halten und zu schauen, was die Systeme unterscheidet und was der Neuling denn anders oder gar besser macht als der Vorgänger. Die folgenden Punkte sind weniger eine Rezension zu Ironsworn (dafür sei auf andere Quellen verwiesen) als vielmehr eine Auseinandersetzung mit der Spielmechanik des Systems, gerade im Vergleich zu Dungeon World.

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6 minus: Wie man mit Misserfolgen eine gute Geschichte erzählt

Rollenspiele mit der pbtA-Engine kennen eigentlich nur einen zentralen Regelmechanismus und das ist ein 2W6-Wurf mit drei möglichen Ausgängen: Ein Erfolg bei 10 plus, ein Teilerfolg bei 7 bis 9 und ein Misserfolg bei 6 minus. Eine 6 minus ist aber zugleich viel mehr als ein Misserfolg: Sie kann natürlich ein Scheitern eines Charakters bei einer Handlung bedeuten (muss es aber nicht), doch sie ist zuallererst ein Element, um das Spiel zu beschleunigen und zu eskalieren. Ein Misserfolg stoppt die Erzählung nicht, ein Misserfolg löst ungewollte, unerwartete und bestenfalls spannende Ereignisse aus. Failing Forward nennt sich das dahinterstehende theoretische Konzept auch. Taktgeber für diese Ereignisse ist die Spielleitung, die bei einer 6 minus die Entscheidung über die nächsten Ereignisse trifft. Über diese wichtige und bisweilen nicht unkomplizierte Aufgabe will ich in diesem Artikel schreiben und einige Tipps und Tricks zum Umgang mit einem solchen Wurf verraten. (Bezugspunkt ist für mich Dungeon World, aber das Gesagte dürfte für die meisten pbtA-Spiele gleichermaßen gelten.)

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Abenteuer erleben ohne Abenteuerskripte nachzuspielen

Spiele, um herauszufinden, was passiert, so lautet eine zentrale Agenda von Rollenspielen mit der pbtA-Engine. Das klingt erst einmal selbstverständlich, wissen die Spielerinnen und Spieler doch am Anfang einer Rollenspielsitzung nicht, was in deren Verlauf passieren wird. Doch ist diese Aussage nur die halbe Wahrheit: Auch wenn die Spielerinnen und Spieler nicht wissen mögen, was passieren wird, so stehen die Ereignisse dem Grundsatz nach doch schon fest, nämlich niedergeschrieben in dem Abenteuer, das die Spielgruppe spielt. Entsprechend weiß auch die Spielleitung, was passieren wird. Hier bricht die pbtA-Engine nun radikal mit allen Gewohnheiten der klassischen Systeme. Genannte Agenda adressiert nämlich nicht die Spielerinnen und Spieler, sondern die Spielleitung. Eben so wenig wie die Spielerinnen und Spieler soll die Spielleitung am Beginn der Geschichte schon wissen, was passieren wird, wer auftreten wird, wie Herausforderungen gelöst werden können etc. Wo klassische Systeme kaum denkbar sind ohne Abenteuer als geskriptetes Gerüst für den Spieleabend, da verzichten pbtA-Rollenspiele ganz bewusst auf vorformulierte Handlungsbögen für das, was die Spielerinnen und Spieler erleben werden. Das Abenteuer soll am Spieltisch entstehen und aus den Handlungen der Spielerinnen und Spieler erwachsen, es soll kein Nachspielen von mehr oder weniger feststehenden Geschichten sein.

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Dungeon World: Ein System denkt das Fantasy-Rollenspiel neu

Rollenspiele gibt es in rauen Mengen. Es gibt die großen Systeme, die jeder (zumindest wohl vom Durchblättern her) kennt und es gibt eine unüberschaubare Zahl von Klein- und Kleinstsystemen, deren Spielerzahl wohl kaum den Bekanntenkreis des Entwicklers überschreiten dürfte. Ein regelmäßiger Blick etwa auf pnpnews enthüllt eine bemerkenswerte Vielzahl von Produkten oder ganzen Systemen, die regelmäßig das Licht der Welt erblicken (und wahrscheinlich ebenfalls in großer Zahl wieder vom Markt verschwinden). Vermutlich sollte man diesen Output als positives Merkmal des Hobbys betrachten, als Beleg für die immense Kreativität und Schaffenskraft, die in unserer Freizeitbeschäftigung steckt. Auch wenn alle diese Systeme ihre Eigenarten und Besonderheiten haben, wohl jedes System eine neue Idee oder eine außergewöhnliche Regelmechanik hat, so gibt es doch so etwas wie einen Regelmainstream, einen nicht codifizierten Regelstandard, wie denn das Rollenspiel funktioniert. Üblicherweise gehören da grundlegende Dinge zu wie etwa die Dichotomie von Spielleitung und SpielerInnen, das Spiel eines durch Zahlenwerte definierten Charakters oder der beliebig komplex gestaltbare Mechanismus einer Attributs-/Fertigkeits/etc.-Probe. Auch so Dinge wie mannigfaltige Ausbau-/Detail-Regeln zu allen denk- und undenkbaren Aspekten, bisweilen endlose Listen aus Fertigkeiten/ Spezialfertigkeiten/ Zaubern/ Ausrüstung/ etc. oder natürlich auch umfangreiche Hintergrundbeschreibungen sind dazu zu zählen. Dieser Quasi-Standard wird weithin als Normalität verstanden, so ist Rollenspiel eben.

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Dungeon World: Eine Kurzvorstellung

Dungeon World ist für mich persönlich eines der besten Rollenspiele, das ich kenne. Erstaunlicherweise gibt es online (zumindest im deutschsprachigen Bereich) kaum eine vernünftige Kurzvorstellung oder Rezension (1, 2, 3, 4), ganz zu schweigen von einer substantiellen Betrachtung, was Dungeon World denn so von anderen Systemen abhebt – und tatsächlich gibt es ganz gewaltige Unterschiede zwischen dem, was Dungeon World macht, und dem, was klassische Systeme machen. Es nennt sich zwar beides Rollenspiel, aber die Philosophie und die Mechaniken sind doch deutlich andere. Ich will mich deshalb hier an einer solchen Kurzvorstellung versuchen (eine intensivere Analyse gibt es hier).

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